Russland unter Iwan IV., dem Schrecklichen

Russland unter Iwan IV., dem Schrecklichen
Russland unter Iwan IV., dem Schrecklichen
 
Unter einer von 1533 bis 1547 amtierenden Vormundschaftsregierung für Iwan IV. (gest. 1584) war es zu schweren Machtkämpfen rivalisierender Bojarengruppen und zu außenpolitischen Rückschlägen gekommen. Mit Unterstützung des Metropoliten Makarij leitete der am 16. Januar 1547 zum »Zaren und Selbstherrscher von ganz Russland« gekrönte Iwan IV. (»der Schreckliche«) eine umfassende Reformtätigkeit unter Ausschaltung der Hocharistokratie und eine schrittweise Privilegierung des Dienstadels mit dem Ziel ein, die Großmachtstellung Russlands zu konsolidieren.
 
Ein Auserwählter Rat löste 1549 die Bojarenduma als zentrales Beratungsgremium ab, der 1550 die Neukodifizierung des geltenden Rechts (Sudebnik) vornahm und eine (1555/56 fortgeführte) Heeresreform einleitete, nach der Strelitzen, reguläre Fußtruppen mit Feuerwaffen, als Kern eines stehenden Heeres neben das adlige Lehnsaufgebot traten. Auf Anregung des Beichtvaters des Zaren, Silvester, entstand mit der »Hausordnung« (Domostroj) ein Lehrbuch für häusliches Leben; Silvester beeinflusste auch die 1551 von einer großen Reformsynode verabschiedete neue Kirchenordnung (Stoglaw, Hundertkapitelbuch). Mit der Abschaffung des Kormlenje-Systems (die »Durchfütterung« des jeweiligen Amtsträgers durch die Bevölkerung) war die nach 1555 forcierte Einführung von Selbstverwaltungsorganen verbunden; gleichzeitig wurde der Ausbau der Zentralbehörden (Prikaze) vorangetrieben und die Größe der Dienstgüter festgelegt, die jetzt der Entlohnung dienten. Die Verbreitung des Buchdrucks löste einen eindrucksvollen kulturellen Aufschwung aus.
 
Nach der Eroberung der Khanate Kasan 1552 und Astrachan 1556 und dem Eindringen in das Kaukasusvorland (Kabardei 1557) setzte die rasche Erschließung der fruchtbaren Grau- und Schwarzerdeböden westlich des Urals ein; 1574 gestattete Iwan die 1579 beginnende Eroberung Sibiriens. Im russisch-livländischen Krieg (1558-83) wurde zwar der Ordensstaat zerschlagen, der Durchbruch zur Ostsee gelang jedoch nicht. In den langjährigen Konflikten mit Polen/Litauen und Schweden konnten jedoch keine dauerhaften Territorialgewinne erzielt werden. Dagegen brachte der von der englischen Muscovy Company 1553/55 über Archangelsk am Weißen Meer abgewickelte Westhandel wachsende Profite.
 
Nach 1560 wurde die Politik Iwans unberechenbarer. Nur mit außerordentlichen Vollmachten und der Übertragung eines Teils des Staatsgebiets zur freien Verfügung (Opritschnina) ließ er sich 1565 zur Rückkehr auf den Thron bewegen. Die neue Diensttruppe der Opritschniki stützte schließlich ein nach 1572 etwas abgemildertes Terrorregime. Nach Iwans Tod entbrannte ein Machtkampf um die Nachfolge, in dem sich schließlich Boris Godunow (1598-1605) durchsetzte. In der folgenden »Zeit der Wirren« (Smuta) kam es zu schwersten politischen und sozialen Erschütterungen, die Russland seine Großmachtstellung und fast die nationale Eigenständigkeit kosteten.

Universal-Lexikon. 2012.

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